Wie aus einem Idol ein guter Freund wurde
Mein großes Handball-Idol Hrvoje Horvat habe ich das erste Mal im Jahr 1966 im ehemaligen Jugoslawien live gesehen. Ich war damals 14 Jahre alt und unsere 1. Männermannschaft RK Rovinj hatte es im kroatischen Pokal bis ins Halbfinale geschafft. Dort hieß der Gegner Partizan Bjelovar, der mit seinem Starspieler Hrvoje Horvat nach Rovinj kam. Hrvoje zählte schon damals zu einem der besten jugoslawischen Handballspieler – ein Ausnahmetalent und zu diesem Zeitpunkt gerade mal 20 Jahre alt. Ich liebte seine faszinierende Erscheinung und vor allem seine Art Handball zu spielen. Ich denke, schon damals hat mich das als Mensch geprägt.
Viele Jahre später, nämlich im Jahr 1991, sollte ich dieses Idol persönlich kennenlernen. Eine Begegnung, die ich mir nie hätte träumen lassen. Im Zuge der Ausbildung zum Handball-Lehrer bzw. bei den Lehrgängen zum Erwerb der Handball Trainer A-Lizenz standen wir plötzlich nebeneinander. Brav, wie ich es gelernt hatte, stellte ich mich vor – natürlich in Sie-Form. Hrvoje, genannt Cveba, antwortete prompt, dass wir doch Kollegen seien und wir uns duzen können. Das war für mich eine große Ehre. Da wir uns auf Anhieb gut verstanden haben, teilten wir uns auf den Lehrgängen ein Zimmer und unternahmen auch stets alles zusammen. Ein Teil der Ausbildung beinhaltete eine 4wöchige Hospitation bei einer Bundesligamannschaft. Zu der Zeit spielte der TV Eitra in der 1. Bundesliga und wurde trainiert von einem guten Freund von mir, Zeljko Zovko. Darum fragte ich dort nach, ob ich die Hospitation bei TV Eitra machen könne. Zeljko stimmte zu und so begleitete ich die Mannschaft im Training und zu den Punktspielen. Im Laufe der Saison verließ Zeljko jedoch den Verein und sein Nachfolger war kein anderer als Hrvoje „Cveba“ Horvat, der direkt vom VfL Gummersbach kam. Zeitgleich ging meine 4wöchige Hospitation zu Ende, aber der damalige Manager Heinz Koch bat mich, während der Übergangsphase dem neuen Trainer Horvat zur Seite zu stehen. Das war pefekt! Ich kannte ja das Team inzwischen sehr gut und konnte Cveba so beim Kennenlernen seines neuen Teams unterstützen. Diese erneute zufällige Begegnung erfreute uns beide und schließlich meinten wir beide, dass es wohl Schicksal sei, dass wir uns immer wieder begegnen sollen. Unserer Zusammenarbeit war sehr fruchtbar und intensiv. Inzwischen war ich nicht mehr der „Hospitant“, sondern neben Torwarttrainer auch Cvebas Co-Trainer, was für mich eine große Ehre war. Cveba und ich „ticken“ gleich, was den Handball betrifft, sind sozusagen Seelenverwandte. Das wurde uns schon nach kurzer Zeit recht deutlich. Cveba schenkte mir bereits nach kurzer Zeit unserer Zusammenarbeit sein Buch „Rukomet – moj zivot“ (Übersetzung: Handball – mein Leben). Als Widmung schrieb er in das Buch: „Dragi Iljo, s posebnim zadovoljstvom ti poklanjam moju knjigu, jer sam se u kratko vrijeme poznanstva s tobom uvjerio da je RUKOMET i tvoj zivot.“ (Übersetzung: Lieber Iljo, mir ist es ein besonderes Vergnügen, Dir mein Buch zu schenken, da ich in der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft überzeugt davon bin, dass HANDBALL auch Dein Leben ist.)
Ende 1996 verließ Horvat den TV Eitra in Richtung TV Willstätt, was ich sehr schade fand, denn so trennten sich vorerst unsere Wege. Ich selbst blieb beim TV Eitra als hauptamtlicher Trainer in der 2. Bundesliga. Trotzdem blieben wir weiter in Kontakt, besuchten uns und trafen uns stets bei den Lehrgängen zur Verlängerung der A-Lizenz alle 2 Jahre und teilten uns nach wie vor ein Zimmer. Auch besuchte ich ihn und seine Frau Dunja in Willstätt.
Im Jahr 2000 dann übernahm Cveba das Traineramt bei der MT Melsungen und kehrte so nach Hessen zurück. Das war wieder eine große Freude, denn so konnten wir uns wieder viel öfter sehen. Das Schicksal führte uns im Laufe der Jahrzehnte immer wieder zusammen und unsere Freundschaft wurde immer größer.
Im Jahre 2014 kehrte Cveba schließlich in seine Heimat Bjelovar (Kroatien) zurück. Inzwischen ist sein Sohn Hrvoje Junior in seine Fußstapfen getreten und wurde erst kürzlich Nationaltrainer der kroatischen Handballmannschaft.
Cveba und ich stehen noch bis heute regelmäßig in telefonischem Kontakt. Was mich persönlich so begeistert ist, dass eine solche Persönlichkeit wie Cveba es sich nicht nehmen lässt, mich jedes Jahr pünktlich zu meinem Geburtstag anzurufen, um mir zu gratulieren. Ich habe es Cveba versprochen, ihn dieses Jahr – soweit es Corona zulässt – in Bjelovar zu besuchen.
Hrvoje Horvat ist 231-facher jugoslawischer Rekordnationalspieler und Spielführer der Nationalmannschaft, einziger 3facher Weltauswahlspieler, gewann bei der Olympiade 1972 in München die Goldmedaille und war Fahnenträger der jugoslawischen Olympiamannschaft im Jahr 1976 in Montreal. Im ehemaligen Jugoslawien wurde er zum Jahrhundert-Handballer gewählt.
Danke, Cveba, Du bist ein toller und wertvoller Mensch und ein echter Freund und ich bin sehr stolz, Dich kennengelernt zu haben.